Der sehr lesenswerte französische Le blog documentaire hat über den Rhein nach Deutschland geschaut und mit dem Regisseur und Webentwickler Tawan Arun aus Berlin gesprochen. Zwei seiner Projekte sind erst vor Kurzem online gegangen: Bielutin, die Geschichte einer unglaublichen Kunstsammlung, veröffentlicht auf ARTE; sowie Europa: Die Ostgrenze, bei der Tawan Arun Co-Autor ist. Das Interview ist ursprünglich in französischer Sprache auf Le blog documentaire erschienen.
Was hast du bisher gemacht? Woher kommst du?
Ich arbeite seit etwa sieben Jahren in Berlin. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung in Visueller Kommunikation in Paris gemacht. Danach war ich ein Jahr lang freier Autor im Print-Bereich. In dieser Zeit haben sich die Medien stark im Internet weiterentwickelt und da habe ich angefangen mich beim Thema Webdeveloppement einzuarbeiten: PHP, CMS, dann Flash. Gleichzeitig habe ich die Aufnahmeprüfung für die Weißensee Kunsthochschule Berlin geschafft und bin an die Spree gezogen. Meine Abschlussarbeit befasst sich mit Neuen Medien. Während des Studiums habe ich weiter Seiten mit Flash programmiert. Dabei sind schon kleinere interaktive Projekte entstanden wie Periphery Explorer über Berlin und Paris. Ich habe mich schon immer für unterschiedlichste Dinge interessiert und habe im Internet die Möglichkeit gefunden, alle meine Ideen zu verbinden.
Du bist auch verantwortlich für die Multimedia-Umsetzung eines ARTE-Projekts: Bielutin – Das Geheimnis einer Sammlung…
Bielutin ist eine Co-Produktion von ARTE Straßburg und dem Team von Anne Bidaux. Aber das Projekt ist ursprünglich eine Idee der Straßburger Produktionsfirma Seppia, die seit etwa einem Jahr auch multimedial arbeitet. Zuerst gab es den Film Bielutin – Im Garten der Zeit der erfolgreich bei ARTE gelaufen ist und beim Filmfestival in Cannes nominiert war. ARTE wollte den Film auch im Internet umsetzten und der Regisseur Clément Cogitore, den ich gut kenne, hat mir vorgeschlagen etwas dafür zu entwickeln. Ich habe das Projekt dann in Flash programmiert mit dem Ziel, den Film web-tauglich aufzubereiten mit verschiedenen Menüs und einer interaktiven Erzählform.
Du bist Co-Autor der Webdoku Europa: Die Ostgrenze. Wie ist dieses Projekt entstanden?
Europa: Die Ostgrenze ist in zwei Phasen entstanden: Die Idee habe ich während meines Studiums an der Kunsthochschule ausgearbeitet, danach kam die Produktion. Ländergrenzen zu überschreiten, Grenzposten zu passieren, das hat mich schon immer fasziniert und interessiert. Als Jugendlicher habe ich im Elsaß gewohnt und war oft in Deutschland oder der Schweiz. Damals gab es die Grenzen noch und es war immer eine irgendwie aufregende und angespannte Stimmung weil man sich selbst hinterfragt, ob man nicht doch irgendwas verbotenes dabei hat. Das habe ich wieder erlebt, als ich in Russland unterwegs war. Ich wollte dann irgendwann wissen, wo eigenlich die Grenze Europas ist, die mit der Ausweitung der EU weiter verschoben wurde. Ich habe mich auf einige Grenzübergänge konzentriert, zwischen Russland und Finnland und zwischen Weißrussland und Polen. Über die Grenzen im Süden hatten schon viele geschrieben, aber die Ostgrenzen waren noch wenig bekannt.
Zuerst bin ich alleine an die polnische Grenze gefahren. Am Anfang eines Projekts muss ich erst einmal raus gehen, um mit den Menschen zu sprechen und die Geschichte zu erkennen. Die Stimmung an der Grenze war wirklich sehr komisch, mit so einer mafiösen Stimmung, schwarzen Limousinen überall… Ich habe richtig gespürt, dass ich da fehl am Platze war und gerade das hat mich mit meiner Idee bestätigt.
Danach habe ich das Projekt mit Joris Rühl weiterentwickelt, Dank der Unterstützung von Freunden und Familie in den verschiedenen Ländern und mit eigenen Mitteln. Mit dem Drehmaterial haben wir dann ein Exposée geschrieben um an Gelder zu kommen. Diese Phase hat bestimmt eineinhalb Jahre gedauert.
Wer hat euch in dieser Phase finanziell unterstützt?
Die Europäische Kommission hat die ersten Mittel zugesagt. Das hat uns motiviert weiterzumachen. Die französische Filmförderung CNC hat uns dann 20.000 Euro für die Konzeption gegeben. Am Ende hat das Projekt etwa 50.000 Euro gekostet (mit Mitteln der Weißensee Kunsthochschule, der Association Bouche à Oreille Production und TV5 Monde) und das hat natürlich alles geändert. Immerhin hatten wir geplant das Projekt ohne finanzielle Hilfe zu stemmen. Allerdings wurde es als Geld da war plötzlich schwierig mit einigen Übersetzern.
Wie ist das mit der Veröffentlichung von Webdokus in Frankreich aber auch in Detuschland?
Europa: Ostgrenze ist in Frankreich am Anfang auf TV5Monde gelaufen, dann auf Rue89, was uns viele Zuschauer gebracht hat. In Deutschland hingegen war es total schwierig. Wir hoffen immer noch, dass ein Online-Medium unser Projekt veröffentlicht, aber momentan sieht es nicht danach aus. Wir haben alle wichtigen Seiten kontaktiert, aber sie finden, dass unsere Webdoku nicht journalistisch genug ist, das heißt nicht präzise genug. Natürlich haben wir unseren sehr eigenen und subjektiven Blick auf das Thema und genau das wollen die deutschen Medien nicht.
Wo steht die Webdoku in Deutschland? Gibt es Produktionen, die als wegweisend gelten, so wie Prison Valley in Frankreich? Gibt es Finanzierungsmöglichkeiten wie beim CNC oder die Bereitschaft von Sendern Geld zu investieren, wie ARTE oder France Télévisions?
Ich finde, dass die Deutschen da sehr zögerlich sind. Schon bei Kinoproduktionen ist weniger los als in Frankreich, sowohl bei den Investitionen wie auch beim Zuschauerinteresse. Und bei Dokumentarfilmen ist das noch viel weniger. Geld wird in Deutschland vor allem bei kommerziellen Großproduktionen ausgegeben. Die föderale Filmförderung ähnlich dem französischen CNC funktioniert nicht so gut. Es gibt mehr Filmschulen als in Frankreich und viele Filme werden produziert, meist aber ohne großes Budget.
Im Internet gibt es kaum etwas. Neben ARTE, wo die interaktiven Projekte von Frankreich aus geleitet werden, experimentiert nur die Deutsche Welle mit Webdokus. Es wird viel mit animierten Grafiken gearbeitet; Spiegel Online ist da Vorne mit dabei. Aber das sind alles reine Informationsformate und keine wirklichen interaktiven Geschichten. In der zeitgenössischen Kunst gibt es Künstler die damit arbeiten, aber ihre Werke findet man eher in Museen als im Internet.
Für Europa: Die Ostgrenze haben wir niemanden gefunden, der das Projekt zeigen wollte, auch weil sonst nie jemand ein Projekt einreicht. In den deutschen Medien gibt es keine eigene Abteilung für interaktive Webprojekte wie es mit den Abteilungen „nouveaux médias“ in Frankreich oft der Fall ist. Webdokus sind noch unbekannt und keiner weiß, was er damit anfangen soll. Wie es dann mit Finanzierungsmöglichkeiten aussieht, kann man sich denken…
Das ist ähnlich wie bei vielen Internetinnovationen in Deutschland: Youtube hat Probleme, viele Inhalte sind wegen der Autorenrechte zensiert. Auch Google Maps hatte es schwer sich zu etablieren.
Bielutin hatte viele Zuschauer in Deutschland und sie sind genauso lange dabei geblieben wie die französischen Zuschauer. Es gibt also trotz allem ein großes Zuschauerinteresse an interaktiven Formaten. Auch die Fotografen beobachten mit Interesse, was zum Beispiel Mediastorm in den USA macht. Allerdings gibt es noch keine große deutsche Produktion, die so heraussticht wie Prison Valley in Frankreich.
Interview: Nicolas Bole
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